Wider den Mainstream

(1) Die Muttersprache ist die Sprachmutter.

Wo Fremdsprache dran steht, muss auch Fremdsprache drin sein. Stück für Stück muss die Fremdsprache die Unterrichtssprache werden, in der alles geregelt wird.  Dennoch gilt: Die Muttersprache ist die Sprachmutter. Sie ist die unbefragte Voraussetzung allen Fremdsprachenlernens und der größte Aktivposten. Hier gilt es einen Jahrhundertirrtum zu beseitigen. Die Mutter­sprache liefert ganz unbestreitbar die kognitiven Grundvoraussetzungen für weiteres Sprachenlernen, sie ist der Boden unter unseren Füßen und in der Praxis auch das biegsamste, schmiegsamste, schnellste und genaueste Mittel der Bedeutungs- und Grammatikvermittlung. Es ist ein Riesenunterschied, ob man etwas als Nothelfer zulässt oder als Kapital ansieht, das man einsetzt und für sich arbeiten lässt. In einem Fall ist es die Ausnahme, im anderen die Regel.

(2) Schriftgestütztes Hören.

Für Schüler, die schon lesen und schreiben können, sind neue Texte zugleich mit Schriftbild einzuüben, nach Art des Mitlesverfahrens. Dodson (1972, S.16ff.) führte eine Serie von Lehr-Lernversuchen mit und ohne Schriftstütze durch (Fremdsprache Deutsch). Jedes Mal ergaben sich beim Mitlesverfahren weniger Nachsprechfehler und die Lernzeit war kürzer. Ähnlich statistisch kontrollierte Versuche anderer Wissenschaftler führten zu ähnlich guten Ergebnissen zugunsten des schriftgestützten Hörens, z.B. von Schiffler (2002, S. 63ff.) für den Französischunterricht. Er spricht von einer „signifikanten Überlegenheit in der mündlichen Leistung“. Auch hier ein scheinbares Paradox: die Beigabe der Schrift stützt die Mündlichkeit. Schiffler moniert: trotz der dargestellten empirischen Forschung wird in den letzten Jahrzehnten, speziell für den Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts ab der dritten Grundschulklasse…nach wie vor der schriftlose Unterricht gefordert.“  (Schiffler 2002, S. 64)

Wer Texte ohne Schriftbild einführt, macht es Anfängern schwerer, also falsch.  Es gibt – in der Methodik wie in der Medizin – eindeutige Kunstfehler, und die stehen auch noch in den Richtli­nien. Demnach soll nämlich das Schriftbild erst dann auftauchen, wenn das neu Eingeführte schon lautrichtig gefestigt ist.

 (3) Spracherwerb ist  Strukturerwerb.

Zugegeben: Spracherwerb ist zunächst Wortschatzerwerb. Ich muss wissen, wie das die  fremde Sprache benennt, das Essen, Trinken, Schlafen, Lieben usw.  Wie die Dinge heißen.  Das geht auch schon ohne Grammatik. Enorm wichtig, aber auch banal und sogar irreführend, wenn man darüber  den Wesenszug aller Men­schensprachen, the quintessential property of language (Pinker), aus den Augen verliert: unsere Sprachen sind kombinatorische Systeme, die immer neue Kombinationen erzeugen können. In der Sprache machen wir „von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch“  (Humboldt).  Wie bei der Muttersprache gilt es hier ein Potential richtig auszureizen, das schon im Sprachlerner steckt: das generative Prinzip.  Es ist ein Kardinalfehler der kommunikativen Didaktik, das generative Prinzip und damit das Geheimnis der Satzerzeugung aus den Augen verloren zu haben. Die konkrete methodische Umsetzung dieses Prinzips sind halbkommunikative bilinguale Strukturübungen. Ein Eckpfeiler einer modernen Sprachlehrmethodik: Die Wortverbindungen und Sätze, die uns in Texten begegnen, müssen  Keimzellen, müssen zum Muster für viele weitere Sätze werden.

Fazit.

Der moderne Mainstream  hat eine zweitausendjährige bilinguale Lehrtradition verworfen und sprach­wissenschaftliche Grundsatzpositionen (Humboldt) außer Acht gelassen, ohne neue tragfähige Theorie und empirische Absicherung. Dagegen gibt es belastbare empirische Evidenz für die positive Wirkung bilingualer Techniken, der Mitlestechnik und bilingualer Strukturübungen.

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