1. „Nahezu alles, was die moderne Schulpädagogik für fortschrittlich hält, benachteiligt die Kinder aus bildungsfernem Milieu“ (Hermann Giesecke)
Bei den Fremdsprachen ist es vor allem die „Selbstlernidyllik“, das ständige Insistieren der Schreibtischpädagogen auf Freiarbeit, Gruppenarbeit, Handlungsorientierung, kreatives Arbeiten, autonomes Lernen. Diese Dinge haben ihren Platz, müssen aber ohne einen soliden Unterbau des Nachsprechens, Reproduzierens und Übens misslingen. Michael Felten warnt vor drei Illusionen: Lehrer müssen „das Vorwissen für neue Lernschritte nicht einfach voraussetzen (Startillusion), sondern sorgfältig in Erfahrung bringen.“ Sie müssen „nicht der gemütlichen These anhängen. Kinder wüssten selbst am besten, was gut für sie ist (Autonomieillusion), sondern deren entwicklungspsychologischem Bedürfnis nach Anleitung, Erklärung und Orientierung nachkommen.“ Sie dürfen „sich nicht mit zwei drei bestätigten Schülerantworten zufriedengeben (Verständnisillusion), sondern eine Palette an Verstehens-, Trainings- und Überprüfungsaktivitäten organisieren.“ (Die ZEIT).
Tipp: Wie wäre es mit dem täglichen Kurzdiktat? Ein inhaltsschwerer Satz, ein Aphorismus, oder ein Zitat aus der Popkultur. Dann auswendig lernen. Sich die Texte einverleiben, bis sie ganz die meinen, die eigenen sind. Lernschwache Schüler schreiben das gleiche Diktat als Lückendiktat. Das kostet allerdings ein wenig mehr an Vorbereitung.
2. Man muss akzeptieren, dass nicht alle gleich viel erreichen können. Den Lernschwachen ist nicht geholfen, wenn man ihnen pausenlos Ziele vorgibt, die sie nicht erreichen können. Es hilft aber, ein Fundamentum und ein Additum zu unterscheiden, oder auch: ein Minimum festzulegen. Das könnten alle Basisdialoge sein, die intensiv eingeübt und gespielt werden. Das Schultheater ist auch für Lernschwache da! Zumal es kleinere und grössere Rollen gibt, die aber sämtlich zum Gelingen des Ganzen Beitragen. So ist das Vorspielen eingeübter Stückchen (dramapädagogische Elemente) gerade für Lernschwache ein erreichbares Ziel, das sie emotional anspricht, ihre freudige Mitarbeit anregt, ihre gestalterischen Kräfte mobilisiert und bereits als Probehandeln im Sinne einer Vorbereitung auf Alltagskommunikation in der Zielsprache verstanden werden darf. Beim Einüben werden Verstehensprobleme gelöst, indem ihnen der Lehrer die perfekte idiomatische Übersetzung, ggf. auch eine muttersprachliche Spiegelung, also das Doppelverstehen gewissermaßen frei Haus liefert. Damit werden mentale Ressourcen frei für das genaue Hören und intonationsgerechte Nachsprechen, das niemand den Lernenden abnehmen kann.
Es gibt bei Anfängern viel Sprechlust, bei Lernschwachen aber auch regelrechte Sprechangst. Das vom Lehrer richtig gesteuerte Nachsprechen von voll verstandenen Sätzchen / Satzstücken lässt keine Sprechangst, sondern Freude über das Gelingen aufkommen.
Siehe auch: „Mit der Ungleichheit fertig werden“ in Der Lehrer ist unsere Chance (2005, S. 56f.)