- Karin Kohl, „Bitte um Erlösung“ (Die Zeit 44/1983)
„Da fragt man einen Schüler der 9. Klasse, nachdem er fünf Jahre Englischunterricht genossen hat: What’s your name? Und er antwortet: Yes, I am.“
„Wie üblich habe ich den schriftlichen Test so leicht wie möglich gestaltet. Wie üblich wären mehr als die Hälfte der Arbeiten mangelhaft ausgefallen, wenn ich nicht mit Einverständnis der Fachkonferenz den Notenspiegel angehoben hätte. Und, wie üblich, empfingen die Schüler mit offensichtlichen Zeichen des Überdrusses ihre Zensuren: Sie wissen so gut wie ich, dass eine Vier keine Vier ist. Wer im vierten Jahr Englisch lernt und noch nicht weiß, was are heißt, wer I und it beim Lesen und Schreiben ständig verwechselt und there von their nicht zu unterscheiden weiß, wer nicht in der Lage ist, auch nur einen kurzen Aussage- oder Fragesatz auf Englisch zu formulieren, fühlt intuitiv, dass seine Leistungen nicht ausreichend sein können.“
Mein Kommentar: Immer wieder werden katastrophale Ergebnisse durch Notenschummel / Etikettenschwindel, der u. U. sogar noch von oben verordnet wird, verschleiert. Allzu oft war die Reaktion der Schulpolitiker bisher, die Messlatte niedriger zu hängen, auf dass auch schlechtes Englisch noch gut ist.
- “Kaum etwas gelernt. Ein Gespräch mit drei Bildungsforschern” (Die Zeit 26/2010).
„Im Englischen sind die Probleme teilweise dramatisch, und zwar besonders in den neuen Bundesländern und in den nicht-gymnasialen Schulformen…Für die Schulen sind diese Englischergebnisse ein Armutszeugnis…Wir benötigen einen anderen Englischunterricht, in dem die Schüler sehr viel mehr zum Sprechen kommen.“
- Kerstan, Thomas. (2008). „No Murks, please. Stoppt den Fremdsprachenunterricht an Grundschulen“, Die Zeit 17.12.2008
- Wiarda, Jan-Martin . (2006)„Lücken füllen“ Die Zeit 9.3.2006
„Marion Hillert erklärt ihren Schülern (Klasse 9, Hauptschule) die Übung mit dem Einsetzen auf Deutsch. „Wenn ich denen Reden auf Englisch halte, verstehen sie ja doch nur die Hälfte“, sagt sie. Ihre englischen Sätze beschränken sich daher auf Phrasen wie Open your books. Ein echtes Gespräch mit ihren Schülern auf Englisch? „Wo denken Sie hin?“
Mein Kommentar: In dem Artikel werden anschließend an die Beschreibung dieser katastrophalen Englischstunde nur die üblichen Verdächtigen vorgeführt: konversationsfeindlicher, grammatisierender Unterricht, zu hoher Sprechanteil der Lehrer. Dass das falsch ist, wird den Lehrern mindestens seit den 60er Jahren gepredigt, landauf, landab. Kommunikation rein und Grammatik raus. Mehr Gruppenarbeit. Schreiben muss immer „kreativ“ sein. Diktate sind mega-out. Die Muttersprache darf nur im Notfall Hilfe leisten. Vokabellernen schon, aber bitte nicht zweisprachig. Die meisten Lehrer, die heute unterrichten, sind in diesem Sinne ausgebildet worden. Warum tun sie nicht endlich, was die Zunft von ihnen verlangt, und erzielen die längst fälligen Erfolge? Oder sollte die Lösung ganz wo anders liegen?
- Wolfgang Krischke „Nutzloser Frühstart“ ZEIT, 12.4.2012:
»Die Lehrer müssen im Gymnasium noch einmal von vorn anfangen. Auf den Ergebnissen des Grundschulunterrichts, so wie er zurzeit stattfindet, lässt sich kaum aufbauen.« Zu verspielt sei der Unterricht, oft unterfordere und demotiviere er die Schüler…“
Den Geburtsfehler des gesamten Fremdsprachen-Konzepts berühren diese Diskussionen allerdings nur am Rande: Er besteht im bildungspolitischen Irrtum, dass der frühe Start beim Erlernen einer Fremdsprache für sich genommen schon eine Erfolgsgarantie sei. Kinder im Grundschulalter, so die Vorstellung, würden sich die Fremdsprache fast noch so mühelos aneignen wie ihre Muttersprache. Diese Phase dürfe man nicht verstreichen lassen…“
Mein Kommentar: Krischke hat recht. Damit natürliche Spracherwerbsmechanismen greifen, bedarf es reichhaltigen Inputs, etwa wenn Kinder in ein Sprachbad eintauchen, wie es bilinguale Kindergärten bieten können – etwa wie die im Elsass, die ich eine Zeitlang im Team von Jean Petit mit begleiten durfte. Das Gehirn kann dann die vielen sprachlichen Einzelerfahrungen miteinander abgleichen und die dahinter liegenden Wort- und Satzbaumuster erkennen. Am Zeitfaktor scheitern auch andere Modetorheiten der Frühförderung, etwa wenn man zweimal die Woche mit Kleinkindern zusammen kommt, um ihnen Babyzeichensprache beizubringen. Unter den üblichen schulischen Bedingungen brauchen wir „künstliche“ Lehrformen, mit denen ältere Kinder insgesamt besser fertig werden. Wenn wir bei Grundschulenglisch verbleiben, sollten wir im dritten Schuljahr anfangen, wenn die Kinder schon lesen und schreiben, dann aber klotzen, und nicht kleckern. Also jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Englisch, und mit ausreichend qualifizierten Lehrern.
Siehe auch:
https://ojs.tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/275/267