Wir sind Halbexperten

Gute Wissenschaft macht sich nicht wichtiger, als sie ist. „Alle Theorien sind Hypothesen, alle können umgestoßen werden. Das Spiel der Wissenschaft hat grundsätzlich kein Ende. Wer beschließt, die wissenschaftlichen Sätze nicht weiter zu überprüfen, tritt aus dem Spiel aus.“ (K. Popper)

Nach Richard Feynman ist Wissenschaft „eine Sammlung von Aussagen unterschiedlicher Sicherheit – manche sind überhaupt nicht sicher, manche nahezu sicher, aber absolut sicher ist keine.“ Eine Sonnenfinsternis verstehen, sie berechnen und vorauszusagen: das ist Wissenschaft im besten Sinne, also science. Viele pädagogische Veröffentlichungen sind nichts als die fachsprachliche Einkleidung von längst Bekanntem, die Verklausulierung von Alltagsweisheiten.  Bauklötze sind „didaktisches Konstruktionsmaterial“, und wer übersetzen kann, hat „translatorische Kompetenz“, die Mithilfe der Muttersprache und anderer, vorher erlernter Sprache heißt „Sprachentransferunterstützung“. Zuwandererkinder haben schon immer für ihre Eltern oder Mitschüler übersetzt, mündlich und frei, zusammenfassend oder textnah; heute wird „sprachgemittelt“. So kann man sich die ganze Diskussion übers Übersetzen sparen, es geht ja jetzt ums Sprachmitteln. Manche Autoren kaschieren so, dass sie nichts Neues zu sagen haben: Es sind Zeitdiebe, die man zur Ordnung rufen sollte. Manche sind auch bloß sprachfaul: Schreibsysteme unterscheiden sich in ihrer „Konsistenz“. Gemeint ist Regelhaftigkeit, Folgerichtigkeit, engl. consistency. Konsistenz aber hat ein Pudding. Ich zweifle allerdings keinen Augenblick daran, dass sich dieser Sprachgebrauch durchsetzen wird. Sprachfaulheit war schon immer ein Motor des Wandels.

„Ein Physikexperte kann vorhersagen, bei wie viel Grad das Wasser kocht. Das nenne ich wahres Expertentum. Damit kann man was anfangen. Psychologen und Metereologen liegen immerhin manchmal richtig, das sind Halbexperten. Theologen, Ökonomen und Fußballexperten wissen über die Zukunft überhaupt nichts. Trotzdem können das sympathische Menschen sein.“ (H. Martenstein)

Auch wir Fremdsprachendidaktiker sind Halbexperten – wahrscheinlich noch auf lange Sicht. Es gibt traditionell zu viel gedankenlose Wiederholung und Nachbeterei, fachsprachlich kaschiert.  Es ist ein Skandal, dass  ZFF,  die Platz hat für wissenschaftliche Artikel, keine kritischen Rezensionen abdruckt.

 


 

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